Ich erinnere mich noch genau an diesen einen Moment.
Ich war beruflich unterwegs – ein ganz normales Gespräch, nichts besonders Persönliches. Wir kannten uns kaum. Und plötzlich fiel dieser Satz:
„Sie haben eine wirklich warme Ausstrahlung.“
Zack. In mir ging sofort eine innere Sirene an.
Mein Körper zog sich zusammen. Mein erster Gedanke?
„Was für eine Frechheit!“
Damals hätte ich nicht sagen können, warum mich das so getroffen hat. Heute weiß ich: Dieser Gedanke kam nicht aus dem Moment, sondern aus einem alten Muster. Aus einer Zeit, in der ich gelernt habe: Zeig dich lieber nicht. Fall nicht auf. Sei bescheiden.
Ich lächelte das Kompliment weg, murmelte irgendwas und hoffte, dass das Thema schnell wechselt.
Vielleicht kennst du solche Momente auch?
Jemand meint es gut – und du bekommst fast Panik.
Was passiert da eigentlich?
Ein Satz, ein Blick, ein unerwarteter Zuspruch – und plötzlich gehen in uns alle Warnsysteme an:
- Was will er oder sie von mir?
- Meint die Person wirklich mich?
- Was soll ich jetzt sagen?
- Und darf ich mich überhaupt freuen – oder wirke ich dann eingebildet?
Viele meiner Klientinnen und Klienten kennen dieses Gefühl. Vor allem dann, wenn sie mit Einsamkeit kämpfen – oder mit einem Selbstwert, der schon lange bröckelt.
Denn genau das ist der innere Widerspruch:
Man sehnt sich danach, gesehen zu werden. Und gleichzeitig kann man es kaum aushalten, wenn es passiert.
Warum fällt uns das Annehmen so schwer?
Es gibt viele Gründe. Hier sind drei, die ich in meiner Arbeit immer wieder erlebe:
🌿 Weil wir gelernt haben, dass Bescheidenheit eine Tugend ist – und alles andere „zu viel“ wäre
🌿 Weil wir uns selbst so kritisch sehen, dass jedes Lob wie ein Irrtum wirkt
🌿 Weil wir tief drinnen glauben: Ich bin doch gar nicht so wertvoll
Doch weißt du was?
Ein Kompliment ist ein Geschenk.
Und es ist eine kleine Brücke.
Wenn du dich aufmachst, Einsamkeit zu überwinden, darfst du lernen, diese Brücken zu betreten. Auch wenn sie anfangs wackeln.
Und wenn du sie ablehnst?
Dann tust du nicht nur dir selbst weh.
Sondern auch der Person, die dir etwas Gutes sagen wollte.
Denn ein Kompliment sagt:
Ich habe dich gesehen.
Wenn du das wegwischst, sagst du:
„Nein danke, behalt dein Geschenk.“
Das ist schade.
Denn Verbindung entsteht dort, wo wir Geschenke annehmen – und manchmal auch einfach nur „Danke“ sagen.
Wie du üben kannst, Komplimente anzunehmen
Das ist kein Schalter, den du umlegst. Es ist ein Weg. Aber du kannst ihn gehen – Schritt für Schritt.
Hier ein paar Ideen:
🌱 Übe es, selbst Komplimente zu machen. Du merkst: Das ist nicht übergriffig – das tut gut.
🌱 Mach dir bewusst: Auch deine Stärken und kleinen Momente verdienen Anerkennung.
🌱 Erlaube dir, dir Zeit zu nehmen. Du musst nicht sofort reagieren.
🌱 Genieße den Zuspruch. Auch wenn er sich fremd anfühlt.
🌱 Erinnere dich: Ein Kompliment ist ein Ausdruck von Verbindung – keine Gefahr.
🌱 Und wenn dein innerer Kritiker loslegt, sag einfach:
„Du, Gedanke, gehörst nicht zu mir.“
Fazit
Komplimente anzunehmen ist kein Zeichen von Eitelkeit.
Es ist ein Zeichen von Offenheit – für Verbindung. Für Nähe. Für Menschlichkeit.
Und je mehr du lernst, solche Momente nicht abzuwehren, sondern auszuhalten, desto mehr Nähe wird möglich.
Zu dir selbst.
Und zu anderen.
Von Herzen,
Felicitas